Experten, Einwanderungsvereine und Öffentliche Verwaltung diskutieren von EURAC ausgearbeitete Empfehlungen zur Umsetzung der Migrationspolitik in Südtirol

Die Südtiroler Landesregierung hat 2011 ein Landesgesetz verabschiedet, das die Integration von Einwanderern verbessern soll. Um die Umsetzung des Gesetzes zu erleichtern, haben die Wissenschaftler des EURAC-Instituts für Minderheitenrecht eine Reihe von Empfehlungen erarbeitet mit dem Ziel, Einwanderer in die Gesellschaft zu integrieren und zur gleichen Zeit die historischen Minderheiten zu schützen. In der vergangenen Woche haben die Wissenschaftler in zwei Treffen mit Experten, Migrationsvereinen, Beratungsstellen für Ausländer und der Koordinierungsstelle für Einwanderung der Autonomen Provinz die Empfehlungen hinterfragt.

Die Schwerpunktthemen der Diskussion: „Zivilbürgerschaft“ für Einwanderer, Akzeptanz der territorialen Besonderheiten, lokale Entscheidungskompetenzen zur Regelung der Migrationsflüsse. Unter den Empfehlungen der EURAC fand besonders der Vorschlag einer „Zivilbürgerschaft“ Zustimmung. Das Konzept beruht auf dem Etablieren einer symbolischen Staatsbürgerschaft, welche das Zugehörigkeitsgefühl der Einwanderer zur bestehenden Gemeinschaft stärken soll. Dabei handelt es sich nicht um ein offizielles Dokument wie der formellen Staatsbürgerschaft, die mit vielen zeitlichen und bürokratischen Hürden verbunden ist. Es handelt sich vielmehr um einen freiwilligen sozialen Pakt, der auf die Aufwertung der Vielfalt und vor allem auf die Akzeptanz der Besonderheiten der Südtiroler Kultur wie etwa der Zweisprachigkeit aufbaut.
Zurückgewiesen hingegen wurde die Empfehlung, der Südtiroler Landesregierung neue Entscheidungskompetenzen zuzuweisen, wenn sie mit dem italienischen Staat die Regelung der Migrationsflüsse verhandelt. Besonders die Vertreter von Migrationsverbänden unterstrichen, dass diese Regelungskompetenz beim Staat verbleiben sollte. Denn ein lokales Eingreifen könnte dazu führen, dass für die Einwanderung bestimmte Auswahlkriterien eingeführt würden, so zum Beispiel Herkunft oder Sprachkompetenz. „Die Mehrheit der Teilnehmer befürchtet, dass die Übertragung dieser Entscheidungskompetenzen auf eine lokale Ebene die derzeitige Situation verschlechtern würde. Daher werden wir die diesbezüglichen Empfehlungen überarbeiten. Was die Integrationsmaßnahmen in Sachen Schule, Arbeit oder Wohnung betrifft, sprachen sich die Teilnehmer hingegen für eine Stärkung der lokalen Kompetenzen aus“, erklärt Roberta Medda-Windischer, Wissenschaftlerin am EURAC-Institut für Minderheitenrecht Sie fügt hinzu: „Die Treffen fanden eine breite und interessierte Teilnahme, die unsere Erwartungen übertroffen hat.“ 
Im Zuge der Ausarbeitung der Empfehlungen haben sich die EURAC-Wissenschaftler auch mit Experten des Forschungszentrums CIEMEN (Centre Internacional Escarré per a les Minories Ètniques i les Nacions) in Barcelona ausgetauscht, das die Situation der historischen katalanischen Gemeinschaft in Spanien studiert.
Die diskutierten Richtlinien und Empfehlungen werden nun überarbeitet und vervollständigt und in Kürze der Bevölkerung vorgestellt.
Die Studien und Treffen wurden im Rahmen des Projekts ALIAS „Autonomia, lavoro e integrazione in Alto Adige/Südtirol” durchgeführt, das vom Europäischen Sozialfonds finanziert wird.

Für weitere Informationen: Roberta Medda, 0471 055221

Nicht nur für Schüler: Auch Lehrkräfte in den Forschungslabors von EURAC junior

Begeisterung für Wissenschaft wecken und Forschungsthemen Schülern und Lehrern näher bringen – so lautet die Devise der Initiative EURAC junior. In diesem Sinne fanden erst kürzlich vier Lehrerfortbildungen an der EURAC statt. 55 Lehrinnen und Lehrer aus Südtirols Mittel- und Oberschulen haben daran teilgenommen.

Das EURAC junior Team hat zusammen mit den EURAC-Forschern einen Workshop zur genetischen Medizin, ein Labor in Erdbeobachtung für Fortgeschrittene, eine Einführung in Rollenspiele zur Sensibilisierung gegen Antidiskriminierung und eine Übersicht über die wissenschaftlich-technischen Schülerlaboren angeboten. Die Lehrkräfte wurden dabei in die spezifischen Wissenschaftsthemen eingeführt und mit praktischen Methoden der Vermittlung vertraut gemacht. Die Workshops für Lehrkräfte wurden in Zusammenarbeit mit dem italienischen Schulamt ausgearbeitet und im Fortbildungsplan der Provinz aufgenommen. Auch für das nächste Schuljahr sind weitere Kurse in Ausarbeitung.
„Die Idee für die Vertiefung und Einführung in die EURAC-Forschungsthemen sind von den Lehrern selbst vorgeschlagen worden, die in den vergangenen Jahren mit ihren Klassen die Schoollabs besucht haben und vom Format begeistert waren“, erklärt Francesca Taponecco vom EURAC junior Team. „1200 Schüler aus 57 verschiedenen Schulen Südtirols haben im laufenden Schuljahr an unseren Schoollabs teilgenommen. Insgesamt hatten wir bisher seit 2008 über 6500 Teilnehmer“, erklärt sie weiter.
Das Team von EURAC junior hat 17 Schülerlabore entwickelt, die auf der wissenschaftlichen Arbeit der EURAC-Forschungsinstitute fußen. In enger Zusammenarbeit mit den Wissenschaftlern haben sie Theorie und Praxis mit spannenden und unterhaltsamen Experimenten verbunden und ihr Angebot, das sich speziell an Schulen richtet, von Jahr zu Jahr weiter ausgebaut. Die thematische Brandbreite der Schoollabs entspringen den Bereichen angewandte Fernerkundung, Genetik, Linguistik, Minderheiten, erneuerbare Energien, Mumienkunde und Föderalismus.
In den Experimentierlaboren lernen die Schüler etwa anhand von Satellitenbildern den Rückgang der Gletscher zu beobachten, wie man durch den genetischen Fingerabdruck einen Täter entlarvt, wie das Gehirn die visuelle Abweichung durch eine Prismenbrille kompensiert und welchen Einfluss Neigung und Ausrichtung eines Hausdachs auf die Stromproduktion mit Photovoltaikzellen hat. Im Rollenspiel „Space migrants 2513“ setzen sie sich mit dem Thema Diskriminierung auseinander und beim Gruppenspiel „Verbünden wir uns“ lernen sie anhand konkreter Probleme das Zusammenspiel zwischen Recht und Politik zu verstehen.
Die Teilnahme an den Lehrerfortbildungen und an den Schoollabs sind kostenlos. Weitere Informationen gibt es unter http://junior.eurac.edu.
Die Initiative EURAC junior wird von der Stiftung Südtiroler Sparkasse unterstützt.

Für weitere Informationen: Francesca Taponecco, 0471 055 026

Wissenschaftliche Untersuchungen klären den Ausgang einer Haremsverschwörung gegen den altägyptischen Pharao

Das ägyptische Museum von Turin verwahrt einen Papyrus, der von einem der schaurigsten Verbrechen der altägyptischen Welt berichtet:  Im königlichen Frauenhaus plant Mitte des 12. Jahrhunderts v. Chr. eine der Nebenfrauen des Pharaos, Teje, den Mord an ihrem Gatten, dem als göttlich geltenden König Ramses III. Dies um ihren Sohn Pentawer auf den Thron zu bringen. Doch dann geht alles schief: Die Verschwörung wird entdeckt und alle, die darin verstrickt waren, werden vor Gericht gestellt und bestraft. Bislang unklar war jedoch das Schicksal des Königs selbst.

Ein Wissenschaftler-Team um den Ägyptologen Zahi Hawass, den Genetiker Carsten Pusch von der Universität Tübingen und den Paläopathologen der Europäischen Akademie Bozen (EURAC) Albert Zink haben die Mumie des Pharaos in Kairo computertomographischen, radiologischen und molekulargenetischen Untersuchungen unterzogen. Die in Bozen und Kairo durchgeführten Analysen der CT- Bilder ergaben, dass dem Pharao zu Lebzeiten die Kehle durchtrennt worden war. „Die Halsverletzung ist erst in der Computertomographie sichtbar geworden“, berichtet Zahi Hawass, der als ehemaliger Generalsekretär der ägyptischen Altertümerverwaltung die Mumie bereits des Öfteren zu Gesicht bekommen hatte. „Klar war, dass Ramses 1155 v. Chr. im Alter von etwa 65 Jahren gestorben war, doch kannten wir vorher nicht die Todesursache“, fährt er fort. Eine Halskrause verdeckt die Verletzung.

Ein Amulett für das Leben im Jenseits
In den CT-Aufnahmen konnten die Forscher außerdem ein Amulett in der Wunde erkennen, das ein so genanntes Horusauge darstellt - ein altägyptisches Symbol zum Schutz vor Unfällen und zum Wiedergewinn von Kraft. „Die durchtrennte Kehle und das Amulett sind eindeutige Hinweise darauf, dass der Pharao ermordet worden war“, erklärt Albert Zink. „Das Amulett war ihm nach seinem Tod in die Wunde gelegt worden, um diese für dessen Nachleben zu heilen.“
Doch war er im Rahmen der Haremsverschwörung ermordet worden, wie es der Turiner Gerichtspapyrus andeutet?

Sohn von Ramses III. identifiziert
Das Forscherteam findet dazu einen Hinweis in einer weiteren Mumie. Mittels DNA-Analysen können die Wissenschaftler nachweisen, dass Ramses III. mit einer bislang als „Unknown Man E“ bekannten Mumie direkt verwandt war. Man hatte bereits vermutet, dass es sich bei dieser Mumie eines 18-20 Jahre alten Mannes, um den Sohn von Ramses III., um Pentawer handeln könnte, der gemeinsam mit seiner Mutter die Haremsverschwörung angestiftet haben soll, um seinen Vater zu entmachten. Die Forscher konnten nun mittels genetischem Fingerabdruck eine 50-prozentige Übereinstimmung zwischen dem Genmaterial von Ramses und dem der unbekannten Mumie feststellen. „Die Mumie ist somit sehr wahrscheinlich ein Sohn Ramses III. Zur 100-prozentigen Aussage, ob es sich um seinen Sohn handelt, bedürfte es der Genomanalyse der Mutter“, erläutert Carsten Pusch, Molekulargenetiker an der Universität Tübingen. Die Mumie von Teje, der Frau Ramses III. und Mutter Pentawers, ist jedoch nicht erhalten. 
 
Selbstmord des Sohnes?
Albert Zink hat mit seinem Team auch diese Mumie radiologisch untersucht: „Auffällig war, dass der Körper von Ramses Sohn stark aufgebläht ist. Am Hals konnten wir zudem eine seltsame Hautfalte erkennen. Diese könnte davon stammen, dass er sich selbst erhängt hatte.“ Zudem sei er mit einem Ziegenfell bedeckt gewesen – das als unrein galt - und sei zudem ohne Organ- und Gehirnentnahme mumifiziert worden, so der Wissenschaftler. 
Die Tatsache, dass der Körper von Ramses Sohn auf eine für einen Prinzen unangemessene Art und Weise bestattet war, könnte, so das Forscherteam, darauf hinweisen, dass hier einer der Drahtzieher der Haremsverschwörung bestattet liegt, der – wie das Turiner Gerichtspapyrus berichtet - die Möglichkeit einer Selbsttötung erhalten hatte, um schlimmeren Strafen im Jenseits zu entgehen.

18.12.12

Für weitere Informationen: Albert Zink, Tel. 0471 055561

Übergemeindlicher Polizeidienst: EURAC-Institut für Public Management analysiert Modelle in Südtirol - Pilotprojekt im Unterland in den Startlöchern

Sie führen Verkehrskontrollen, Ortsaugenscheine, Radarüberwachungen und Wohnsitzüberprüfungen durch und sind bei Veranstaltungen präsent: Die Ordnungshüter erfüllen wichtige Aufgaben in den 116 Gemeinden Südtirols. Bis auf die Städte gibt es sie meist als Ein- oder Zweimann-Betriebe. Einige Südtiroler Gemeinden jedoch haben bereits wertvolle Erfahrungen in der übergemeindlichen Organisation des Polizeidienstes gemacht. Wie haben sie ihren polizeilichen Dienst organsiert? Was läuft besonders gut, was weniger? Gibt es ein Modell, das auch auf andere Gemeinden übertragen werden kann?
An dieser Stelle möchte ein neues Projekt des EURAC-Instituts für Public Management ansetzen, indem es die verschiedenen Modelle in Südtirol und insbesondere das seit 1996 erfolgreiche Modell in Bruneck analysiert. Möglicherweise betreut das Institut sodann die Einführung des übergemeindlichen Polizeidienstes im Unterland als Pilotprojekt.
Ein erstes Treffen zum Ausloten von Kooperationsmöglichkeiten hat vergangene Woche am 6. Dezember 2012 stattgefunden. Mit dabei waren der Gemeindenverbandspräsident Arno Kompatscher, Alexander Steiner, Kommandant der Stadtpolizei Bruneck, der Bezirkspräsident Oswald Schiefer und die Margreider Bürgermeisterin Theresia Degasperi-Gozzi. „Das Treffen ist sehr positiv verlaufen und es besteht Bedarf nach einem solchen Projekt, auch weil im Sinne der Kosteneinsparung in der Gemeindefinanzierung festgelegt ist, dass innerhalb 2014 die Südtiroler Gemeinden mit weniger als 5000 Einwohnern mindestens zwei Dienste, jene mit über 5000 Einwohner mindestens einen Dienst mit den Nachbarsgemeinden zusammenlegen müssen. Und ein gut funktionierender gemeinsamer Polizeidienst biete sich hier gut an“, fasst Josef Bernhart, stellvertretender Leiter des EURAC-Instituts für Public Management zusammen. Als nächster Schritt steht ein Treffen mit den Vertretern der Gemeinden im Unterland an.

13.12.12

Für weitere Informationen: Peter Decarli, Tel. 0471 055414